In diesem Blogbeitrag geht es um das Thema Rechenstörung/ Dyskalkulie und darum, was man darunter überhaupt versteht.
Warum gibt es diesen Blog und den Podcast?
Mein Anliegen ist, dass das Thema GEHÖR erfährt und dass hoffentlich irgendwann selbstverständlicher und sicherer damit umgegangen wird!
Lese-Rechtschreibstörung oder Legasthenie kennt mittlerweile fast jeder, aber bei der Dyskalkulie verhält es sich leider noch sehr stiefkindlich.
Klar ist: Nur wenn die Dyskalkulie in unserer Gesellschaft allgemein anerkannt ist und in den Schulrichtlinien auftaucht, wie es bei der Lese-Rechtschreibstörung z.B. bereits der Fall ist, kann sie auch rechtzeitig erkannt und behandelt werden.
Für wen sind Blog und Podcast bestimmt?
Vielleicht kennen Sie sich bereits mit der Thematik aus und sind als Betroffener, Elternteil, Lehrer, Therapeut oder Arzt bereits ein Fachmann oder eine Fachfrau für das Thema.
Vielleicht sind Sie auch der Elternteil eines betroffenen Kindes oder Sie sind noch unsicher, ob Ihr Kind davon betroffen ist.
Vielleicht sind Sie Lehrer oder Lehrerin, haben Kinder in der Klasse, die es betrifft oder betreffen könnte oder haben von anderen Lehrern gehört, die davon berichtet haben.
Vielleicht haben Sie auch selbst Schwierigkeiten beim Umgang mit Zahlen und beim Rechnen und möchtest es verstehen oder damit umgehen lernen.
In meinem Podcast werde ich aus verschiedenen Perspektiven heraus dieses Thema beleuchten.
Wer bin ich?
Mein Name ist Melanie Schuster. Ich bin Diplom-Sprachheilpädagogin und Gründerin des Instituts für Dyslexie und Dyskalkulie IDD.
Zudem arbeite ich seit 2011 in der kinder- und jugendpsychiatrischen Abteilung – kurz KJP – der Krankenhäuser Altenkirchen und Hachenburg.
In meinem Arbeitsbereich sind Teilleistungsstörungen, wie Rechen-, Lese- und Rechtschreibstörungen, täglich Brot.
Daher habe ich mich kurz nach meiner Anstellung dort auch zur Zusatzausbildung als Dyslexie- und Dyskalkulietherapeutin nach BVL entschlossen.
BVL - Bundesverband für Legasthenie und Dyskalkulie - ist bislang deutschlandweit eine der ganz wenigen Institutionen, die wissenschaftlich basierte Maßstäbe für die Aus- und Weiterbildung von Dyskalkulie- und Dyslexietherapeuten setzen.
Darüber hinaus setzt sich der BVL bundesweit für die Interessen und Rechte von Betroffenen ein.
Gesellschaftliche Problematik der Dyskalkulie
Leider ist Dyskalkulie in der Öffentlichkeit kaum bekannt.
Wie kann ich und wer kann überhaupt entscheiden, ob jemand einfach ‚Kein Händchen‘ für das Fach Mathematik hat oder ob ein ernstzunehmendes Problem vorliegt? Das genau ist Thema im dritten Teil meines Podcasts und Blogs.
Dyskalkulie. Ist das wirklich nur ein Problem im Fach Mathematik? Natürlich nicht! Aber dort fällt es der Familie oder den Lehrern meistens als erstes auf.
Daher im Folgenden mal ein paar Beispiele aus dem Alltag:
Denken Sie beispielsweise bei Ihrem Freund, der überall zu spät ist und irgendwie kein gutes Zeitmanagement hat, an eine Störung der Zahlenverarbeitung?
Denken Sie bei Ihrer Cousine, die ständig pleite ist und beim Einkaufen überhaupt nicht auf Preise achtet, an eine Dyskalkulie?
Sieht der Mann an der Tankstelle, dem Sie nur die Kreditkarte geben, statt zu schauen, ob Sie genug Bargeld haben, jemanden mit Rechenschwäche?
Nimmt es jemand ernst, wenn Oma schon wieder einen Knüppelkuchen gebacken hat, obwohl sie die Zutaten für ein ganzes Blech einfach nur verdoppeln musste?
Genau das sind typische Situationen aus dem Alltag. Für jede gibt es selbstverständlich auch andere Gründe. Nicht jeder, der ein schlechtes Zeitmanagement hat oder nicht gerne bar bezahlt oder gerne viel Geld ausgibt, hat eine Dyskalkulie.
Oder anders formuliert:
Warum sollte ich bei jedem, der nicht gut in Mathe ist, gleich an eine Teilleistungsstörung denken? Ist es nicht normal, dass wir verschieden sind? Ich kann doch als Lehrerin nicht nur Einser und Zweier vergeben! Das würde zum Zusammenbruch d. Schulsystems führen!
Aber genau wegen dieses Verschwimmens von Symptomen und (vermeintlichen) Persönlichkeitsmerkmalen fallen Betroffene oftmals zu lange nicht auf.
In den Schulen sowie auch im Privaten ist das Thema nach wie vor sehr pikant – aus verschiedenen durchaus nachvollziehbaren Gründen:
Eltern, Kinder und auch Lehrer haben zum Einen Angst vor einer möglichen Stigmatisierung
Zum Anderen gibt es in unserem Schulsystem kein einheitliches Vorgehen im Umgang mit der Thematik
Anders als bei der vom Gesundheitsamt durchgeführten Schuleingangs-untersuchung, die stattfindet, bevor ein Kind überhaupt eine Schule besuchen darf, gibt es keine verpflichtende Untersuchung, um im Verlauf der ersten Klassen festzustellen, bei welchem der Kinder eine Teilleistungsstörung vorliegt. Doch, wäre eine solche standardisierte Diagnostik nicht absolut sinnvoll?
Ist eine Dyskalkulie selten?
Lange ging man davon aus, dass die Prävalenzrate, also die Vorkommenshäufigkeit von Dyskalkulie in der Bevölkerung nur bei ca. 1% läge. Dann jedoch wurden Studien aus verschiedenen Industrieländern veröffentlicht, die eine tatsächliche Rate von 3-8,4% aufzeigten.
Das heißt auch eine Dyskalkulie kommt tatsächlich etwa genauso häufig vor wie eine Lese-Rechtschreibstörung.
Und nicht nur das. Wissenschaftliche Studien zeigten auch, dass Dyskalkulie häufig in Kombination mit einer Lesestörung oder Aufmerksamkeitsstörung auftritt. Hier gibt es allerdings sehr unterschiedliche Angaben. Z.B. in Bezug auf die kombinierte Lesestörung variieren sie zwischen 17% und 70%.
Aber, um das Ganze greifbar zu machen, könnte man sagen: Rund die Hälfte aller Betroffenen hat nicht nur eine Dyskalkulie, sondern auch eine Lesestörung.
Dabei sind – ganz im Gegensatz zum Beispiel zu Sprachstörungen - Mädchen in etwa gleich oft von einer Dyskalkulie betroffen wie Jungen.
Um das Ganze auf die Spitze zu treiben:
Eine englische Studie von Bynner und Parsons zeigte bereits vor über zwanzig Jahren ein erschreckendes Ergebnis. Jeder 2. Mann im Alter von 37 Jahren mit einer Dyskalkulie war arbeitslos!
Würden wir heute diese Studie wiederholen, dann kann ich mir kaum vorstellen, dass wir mit einer Dyskalkulie bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt hätten als früher!
Wir sehen also diese enorme soziale Bedeutung der Thematik.
Wer das übrigens nachlesen möchte, kann das im Buch DYSKALKULIE von Landerl und Kaufmann, erschienen im Ernst Reinhardt Verlag. Ein wirklich tolles detailliertes Grundlagenwerk, in das ich persönlich immer wieder gerne reinschaue!
Demnächst werde ich immer wieder Literaturhinweise und Buchempfehlungen für verschiedene Interessensgruppen geben.
Ich möchte aber betonen, dass alle Empfehlungen rein fachlicher Natur sind! Ich mache keine bezahlte Werbung!!!
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